Verlag am Birnbach - Motiv von Stefanie Bahlinger, MössingenVerlag am Birnbach - Motiv von Stefanie Bahlinger, Mössingen

Gedanken zur Jahreslosung 2023

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Predigt zu Genesis 16,13

Hinführung

Kennt ihr noch den Ausspruch: „Big Brother ist watching you“?
-> Der große Bruder beobachtet Dich <-

Aber wusstest Du, dass der Satz ursprünglich aus George Orwells „1984“ stammt? Damit erinnert der totalitäre Staat im Roman die Einwohner Ozeaniens (Oceania) immer wieder daran, dass sie ununterbrochen von einer Gedankenpolizei überwacht werden — sogar im eigenen Zuhause. Alles steht unter der Kontrolle der sozialistischen, also gesellschaftskritischen Staatspartei Ingsoc (deut. Engsoz), die soziale Gleichheit anstrebt. Ozeanien befindet sich außerdem im ständigen Krieg mit den beiden anderen SupermächtenEurasien (Eurasia)
und Ostasien (Eastasia).

Seitdem ist oftmals vom gläsernen Menschen die Rede. Dabei ist zu beachten, dass Orwells Gedanken eine Erfindung in seinem Roman waren.

Mittlerweile sieht das ganz anders aus. Es gibt technisch viele Möglichkeiten, herauszufinden, was Menschen so machen. Im sogenannten Netz hinterlassen wir alle deutliche Spuren.

Unternehmen wissen durch den Einsatz bestimmter Programmen, welche Vorlieben wir bei der Suche nach Artikeln im Internet haben.

Bei uns verabschiedet sich so langsam unsere Kaffeemaschine. Noch nicht alt, aber das Wasser läuft nicht mehr richtig durch und es dauert gefühlt Stunden, bis die Brühe durch ist.

Also habe ich nach Alternativen im Netz gesucht. Ihr glaubt gar nicht, wie oft ich in den nachfolgenden Tagen beim Öffnen des PC Angebote für Kaffeemaschinen bekommen habe, obwohl ich gar nicht danach gefragt hatte.

Oder die ganzen Apps mit GPS Positionsbestimmung. Ich habe mich mit dem Fahrrad mal ziemlich verfahren. Handy an, über Satellit die Position bestimmen lassen, das eigentliche Ziel eingeben und schon wurde ich auf den richtigen Weg geführt. Das ist der Hammer.

Nun interessiert das in den USA, Israel, China oder Russland wohl niemanden, wo Andreas Spierling mit seinem Bike hinfährt. Aber es wird deutlich: es geschieht so gut wie gar nichts mehr im Verborgenen.

Die Frage ist nur: wofür wird das Wissen über uns genutzt?

Weiterführung

Nun ist das eigentlich eine uralte Geschichte. Schon ganz am Anfang der Bibel wird von dem Ent -deckt werden geschrieben.

Adam und Eva hat bekanntlich vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen genascht und merkten sofort: das war ihr größter Fehler. Hatte Gott doch gesagt, dass sie davon die Finger lassen sollten.
Nun ist es geschehen und sie machen sich vom Acker und verstecken sich.
“Adam, wo bist du” (Gen.3,9)

Als ob Gott das nicht wüsste! Aber Adam sollte formulieren können, was passiert ist. Er soll in die Lage versetzt werden, Schuld zu bekennen und dafür geradezustehen.

Was und wem nützt das Entdeckt werden? Es nützt dem Menschen. Es hilft ihm, klar zu sehen und zu spüren, was Verhalten nach sich zieht. Es kann ihm helfen, neu anzufangen und neu Zukunft zu gestalten, so mühevoll sie auch sein mag. Es folgt nicht der Tod, auch nicht der soziale, sondern die Vertreibung aus dem Paradies. Anderes, verändertes, gewandeltes Leben folgt. Adam und Eva bekommen Kinder und die Schöpfung nimmt ihren Lauf.

Sie haben erfahren: Gott ist ein Gott, der mich sieht.

Er übersieht nicht, er geht nicht einfach über Fehlverhalten hinweg. Aber nutzt sein Wissen nicht aus, um sich zu bereichern, sondern um Leben in Verantwortung zu ermöglichen.

Von solch einem Gott lasse ich mich gerne sehen. Von solch einem Gott kann ich erwarten, dass er auch das Unrecht, das durch Menschen vielerorts geschieht, nicht übersehen wird. Und dass sie zur Rechenschaft gezogen werden wie am Anfang der Geschichte Gottes mit den Menschen, wir, Adam und Eva!

Die Bibel berichtet von vielen solcher Erfahrungen. So wollen uns helfen, uns selbst darin wiederzufinden und dabei Gegenwart und Zukunft zu gestalten.

Der Text unserer Jahreslosung 2023 findet sich ebenfalls am Anfang des AT: Er lautet: „Du bist ein Gott der mich sieht.” (Gen.13,13)

Hintergrund des Textes

Abram und seine Frau Sarai stammen aus Ur in Mesopotamien, dem heutigen Irak. Auf Gottes Zusage hin wagen sie den Aufbruch: „Und der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein.“ (Genesis 12, 1u.2)

„Aber Sarai war unfruchtbar und hatte kein Kind.“ Wie ein roter Faden zieht sich das durch ihr Leben. Ebenso Gottes großes Versprechen: Ich werde euch das Land Kanaan geben und ihr werdet ein großes Volk werden!

Seit Abram und Sarai als Fremdlinge in Kanaan wohnen, sind zehn Jahre ins Land gezogen: „Sarai, Abrams Frau, gebar ihm kein Kind. Sie hatte aber eine ägyptische Magd, die hieß Hagar.“ (Gen. 16,1)

Und das kam Sarai eine Idee, die für unsere Ohren und unser Herz unverständlich klingt. Sie bittet ihren Mann eindringlich, doch zu ihrer Magd Hagar zu gehen und mit ihr ein Kind zu zeugen, das dann Sarai als das ihre annimmt.

Im Alten Orient war dieser Plan nicht außergewöhnlich. Sarais Magd soll die Rolle einer Leihmutter übernehmen. Wird das Kind der Leibmagd auf dem Schoß der Herrin geboren, wird es als vollberechtigtes Glied der Familie anerkannt.

So kommt es Hagar wird schwanger. Hagar lässt ihre Herrin spüren, wer jetzt die angesehenere Position hat. Die Dynamik zwischen den beiden eskaliert. Gegenseitige Demütigungen sind an der Tagesordnung.

Bevor ihre Herrin Maßnahmen gegen sie ergreift, flieht die Schwangere in die Wüste Schur. Erschöpft lässt sie sich an einer Wasserquelle zu Boden fallen.

Schauen wir einmal auf das Bild, dass ihr eben bekommen habt.

Hagar kauert am Boden zerstört im Wüstensand. Die Künstlerin holt sie aus ihrem Schattendasein ins Licht. Senkrecht von oben leuchtet es auf sie herab. Noch durchdringt es nicht das Dunkel ihrer Verzweiflung. Noch schafft Hagar es nicht, sich aufzurichten. In ihrem Elend, mutterseelenallein, vergräbt sie ihr Gesicht in den Händen und weint.
Leise nähert sich ihr eine blaue Gestalt und berührt sie. Es kommt zu einem Gespräch darüber, woher sie kommt, wohin sie will und was sie bewegt.

Hier passiert Unglaubliches im Leben von Hagar. Sie ist die erste Frau in der Bibel, die Gott durch seinen Boten persönlich anspricht! Sie bleibt Sarais Dienerin. Doch vom Engel wahrgenommen und mit ihrem Namen angesprochen, bekommt sie ihre Würde zurück.

Zwei Personen sind im Hintergrund der Grafik zu sehen – vermutlich sind es Abram und Sarai.
Nur schemenhaft gemalt dominieren sie die rechte Bildhälfte. In warme rotorange Töne getaucht setzen sie sich deutlich ab von dem zarten Grün und Blau der linken Bildhälfte.

Viel kleiner, fast unscheinbar wirkt dagegen die blaue Gestalt, die sich Hagar zuwendet. Zeigt ihr der Engel einen Weg aus dem Dilemma?

Doch der Engel schickt sie in die „heiße“ Situation zurück. Es ist die einzige Chance, dass ihr Kind als legitimer Sohn Abrams anerkannt werden kann.
Hagar ist nicht nur die erste Frau in der Bibel, die Gott durch seinen Boten persönlich anspricht, sondern auch die erste Frau, die eine umfassende Segensverheißung erhält:
„Und der Engel des HERRN sprach zu ihr: Ich will deine Nachkommen so mehren, dass sie der großen Menge wegen nicht gezählt werden können.
Weiter sprach der Engel des HERRN zu ihr: Siehe, du bist schwanger geworden und wirst einen Sohn gebären, dessen Namen sollst du Ismael nennen; denn der HERR hat dein Elend erhört.“ (Gen 16, 10 u.11)

In der Begegnung mit dem Boten Gottes erfährt sie Gott selbst und kommt zu der Erkenntnis:

„Und sie nannte den Namen des HERRN, der mit ihr redete: Du bist ein Gott, der mich sieht.“ (Gen. 16, 13)
Das ist für Hagar der Name Gottes und zugleich ihr persönliches Glaubensbekenntnis! Diese Erkenntnis richtet sie auf und verwandelt sie von der Dienerin Sarais zur von Gott angesehenen und gesegneten Hagar.

Schluss

Wie ein lichtdurchfluteter Vorhang breiten sich die Farbflächen nach unten hin aus. In der Mitte öffnet er sich.

Es gibt Zeiten, in denen ich mich vergeblich nach Gottes spürbarer Nähe und seinem Eingreifen sehne, er aber wie hinter einem Vorhang verborgen bleibt.

Wir wissen nicht, was uns das neue Jahr bringen wird. Keiner hätte Anfang des Jahres 2022 mit einem Krieg gerechnet. Wir haben sicher Gedanken, Pläne und Hoffnungen für das neue Jahr. Manches kann zu einer großen Herausforderung heranwachsen. Hagar hat es erlebt, aber auch Abraham und Sarai. Jede und jeder auf die eigene Weise.

Aber was gibt es Größeres zu wissen, als dass Gott nicht wegschaut, sondern uns, Dich und mich sieht, und in die jeweilige Situation mit hineingeht. Dass seine liebenden Augen niemals wegschauen und nicht müde werden, dass er es für uns zum Besten werden lassen will. Ja, das ist zu glauben und darauf zu vertrauen. Und wenn ich nach Lösungen suche, dann bin ich bei ihm an der richtigen Adresse und sicher wird er mir nichts aufschwätzen.

Dann reißt der Vorhang plötzlich auf und lässt mich, und sei es manchmal auch nur für kurze Zeit, erkennen: Ich bin ihm nicht egal. ER sieht und hört mich. Und ER greift ein.

Amen.